Kunst & Kultur Schauspiel

Blick ins Uhrwerk eines Staatstheaters

12. Januar 2017 |
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Ich habe einmal die 12. Fee bei Dornröschen gespielt. So! Jetzt ist es raus. Leider ist diese Erfahrung so ziemlich die letzte, die ich mit der edlen Kunst des Theaters hatte. Und ich war ungefähr so groß. Erst in letzter Zeit trat das Theater wieder in mein Leben. Meist ziemlich laut mit einigen bunten und lustigen Stücken im Großen Haus. Ausserdem zähle ich einige der Mitarbeiter und Schauspieler zu meinen Freunden. Da ist man dann auch fast gezwungen, mal hinzugehen. Gottseidank! Ansonsten hätte ich nicht den Struwwelpeter neu kennen gelernt oder über die Unschuld nachgedacht. Besonders die Bühnenbilder dieser beiden Stücke und das von Spanische Fliege (toll durchgedrehter Slapstick-Humor!) haben mich echt beeindruckt. Was für ein Aufwand betrieben wird um den Zuschauer aus seinen Alltag und sogar aus der Erfahrung eines Theaterbesuchs zu reissen. Dann natürlich die Schauspieler. Wie wird aus einem Text ein Theaterstück? Wie aus einer Regieanweisung eine Persönlichkeit und wie aus einer Skizze und einer irren Idee ein aufwendiges Bühnenbild?
Also sprach ich Lucie Thiede an, ob ich sie nicht einmal zu einer Probe begleiten darf um diese dann zu fotografieren. Nur so, damit ich mal was Neues vor die Linse bekomme und meine Neugierde befriedigt wird. War nur so eine Frage. Dahingefragt, quasi. Die Frage blieb an diesem Abend zwischen ein paar Flaschen Wein im Raum stehen. Ich fuhr bald darauf in den Urlaub und als ich wiederkam hatte sich Lucie mit der Galerie Fango verschworen, in deren Trägerverein auch ich Mitglied bin. Eine Ausstellung war schon halb organisiert und ich sollte die Möglichkeit bekommen, gleich drei ganze Proben zu fotografieren. Von der ersten Konzeptions- bis zur Generalprobe. Drei Stücke, drei Premieren innerhalb von zwei Wochen. Aus meiner kleinen Anfrage wurde eine Staats.theater.angelegenheit!

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Die Kammerbühne wurde zur Arena umgebaut. Wie ein Tribunal wird das Publikum um die „Schauspielfläche/Bühne“ auf dem Boden herumsitzen. Das geht auf Kosten der Besucherzahlen, kommt aber den Stücken zugute, die hier gespielt werden. „Wintersonnenwende“ ist sehr intim. Und auch ich fühle mich, als würde ich etwas stören. Diese Probe in einer improvisierten Spiegelung des originalen Saals zum Beispiel. Ich, der Theateranfänger, stehe gerade im Probensaal der Kammerbühne und schaue der Regisseurin Katka Schroth dabei zu, wie sie die Kreativität der Schauspieler in Bahnen lenkt. Das fünfköpfige Ensemble macht Vorschläge, wie diese Szene gespielt werden könnte. Damit beeinflussen sich die Rollen natürlich gegenseitig. Es ist ein wie Schauspieler-Jam. Katka greift ein, ändert Aufstellungen und Rahmenbedingungen und lässt sich weitere Vorschläge machen. Sie dirigiert die Schar. Respektvoll und auf einer sehr professionellen Ebene. In Socken schleiche ich um die Arena. Ich will keine lauten Geräusche verursachen. Versuche, den Fluss nicht zu stören und beobachte, wie ein Theaterstück entsteht.
In dem Stück Wintersonnenwende von Roland Schimmelpfennig geht es um eine vorweihnachtliche Gesellschaft, die von internen Problemen heimgesucht wird. Hinein platzt eine Behauptung, ein Verdacht, der die Zündschnur am Fass zum Brennen bringt. Ein Holocaust-Forscher trifft auf einen Arzt aus Paraguay. Interessantes Thema und etliche Spannungsfelder zwischen den Figuren, die kaum (oder gar nicht?) die „Bühne“ verlassen. Ich bin sehr gespannt auf das Gesamtergebnis.

P.S.
Wer übrigens einmal selbst in den Genuss kommen möchte, eine Probe mit Katka Schroth und dem Ensemble zu sehen, kann das heute (12.01.´17) tun. Um 18Uhr beginnt die offene Probe in der Kammerbühne. Der Eintritt ist frei. Und der Saal warm :)

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