„Wow, erstaunlich bequeeeeee…..“ denke ich in dem Moment, als unser Fahrer aufs „Gas-“Pedal tritt. Wir sitzen in einem Tesla Model S und spüren eine Beschleunigung, die ich das letzte Mal in Ronnys GTI gespürt habe. Der hatte aber keinen TÜV und einen kaputtgetunten Verbrennungsmotor nebst vom KAT und Schalldämpfer befreiter Auspuffanlage. Vorsintflutliche Technik gegen dieses Stück automobile Zukunft. Dabei hört man inner- wie auch ausserhalb des Autos so gut wie gar nichts. Es ist gespenstisch still.
Diese Probefahrt (ich darf leider nur mitfahren und nicht mit fahren) findet im Rahmen eines kleinen Zwischen- oder Ladestopps der eTourEurope, der längsten Elektromobiltour Europas statt. 16 Teams aus Allerherrenländer fahren mit ihren Elekro-Autos ca. 4.000km und steuern dabei neun europäische Hauptstädte an. Alles rein elektrisch. Auch in Cottbus können sich die e-Rallye-Teilnehmer und ihre Fahrzeuge erholen und gleich etwas Werbung für die Elektromobilität machen. Tatsächlich sind einige Menschen an der BIEne, dem Besucherzentrum Intelligente Energie Netze, zusammengekommen um die e-Cars zu sehen, einen Parkour mit dem Segway abzufahren oder Pedelecs zu testen, die Olympiamedaillengewinner Lutz Heßlich persönlich anpreist: „So kann meine Frau gemütlich bei einer Fahrradtour mithalten.“
Unser Pilot, Wolfgang Nelhiebel, erklärt uns gerade die technisches Finessen, die er über einen riesigen Touchscreen in der Mittelkonsole bedienen kann und berührt dabei kaum das Lenkrad (der Tesla kann auch fast alleine fahren). Mein Herz erholt sich gerade von der immensen Beschleunigung und ich bin froh, dass ich schon diverse Youtube-Videos vom Tesla geschaut habe und deshalb nicht ganz so überrascht bin. „Jetzt mal zu den Fakten: wie weit kommt man denn nun mit einer Tank… Akkuladung?“
„Wenn ich auf der Autobahn noch einige Porsches abkoche, so ungefähr 280 Kilometer, bei normalem Fahrverhalten 320-350 und im Eco-Modus bestimmt 400,“ erklärt Nelhiebel, ein Bayer, stolz. Er ist um die 50, hat ein kleines Wohlstandsbäuchlein und man kann ihn sich als den gut situierten Porschefahrer vorstellen, der es beruflich geschafft hat und jetzt genießt, was er sich erarbeitet hat. Stimmt auch alles. Bis auf den Porsche. Warum also ein Elektro-Fahrzeug? „In ein paar Jahrzehnten muss ich meinen Enkeln erklären, dass wir damals Erdöl in unsere Autos gekippt haben. Die denken doch: ´Wie bescheuert seid ihr denn gewesen?!´.“ Ausserdem würde das Auto richtig viel Spaß machen. Leisten muss man es sich allerdings können. Ein Tesla ist nicht gerade günstig. Hier füge ich gern ein weiteres „allerdings“ ein: Tesla-Chef Elon Musk hat gerade erst ein neues Model vorgestellt, welches im kommenden Jahr für 31.000 Dollar auf den Markt kommen wird. Das wird das Jahr, in dem die Elektromobilität einen weiteren großen Schritt Richtung Alltag machen wird. Doch dafür braucht es die Infrastruktur, ein Netz gut erreichbarer Ladesäulen. Und für dieses setzt sich Nelhiebels Copilot Andreas-Michael Reinhardt ein. Er ist Vorstandsmitglied beim LEMnet e.V. (Europäischer Verein zur neutralen Information über europäische und internationale Infrastruktur für alle Elektrofahrzeuge) und vertritt die berechtigte Meinung, dass nur mit einem einheitlichen Standard die Elektromobilität zur Normalität werden kann.
„Stellen Sie sich vor, man könnte an einer Autobahn wohnen- ohne Dieselgestank und Motorenlärm.“ Das ist freilich Zukunftsmusik, aber eine die Reinhardt bereits heute hört und für die er bereit ist, selbst den Taktstock in die Hand zu nehmen. Auf der LEMnet-Website wie auch mit der entsprechenden App kann man seine Routen planen und sich von Ladesäule zu Ladesäule hangeln.
Auch wenn die Resonanz hier am Morgen nach dem Herrentag recht spärlich ausfällt ist doch zu spüren: hier ist gerade ein Stück Zukunft in Cottbus vorgefahren und wir und unsere Uni sind am Puls der Zeit, was Forschung und Innovationswillen angeht.
Und ich habe mein neues Traumauto kennengelernt.