Kunst & Kultur

Straßenfeger FFC

23. November 2017 |
Altmarkt2016 © FFC / ThomasGoethe

Einer irren Achterbahn entstiegen, glücklich, euphorisch, unter Adrenalin, übermüdet, wehmütig, leicht debil, gelöst und geschafft. So fühlt es sich an, wenn die Woche des FilmFestival Cottbus (FFC) vorüber ist.
FFC-Plakate an Litfaßsäulen, die blauen Linien auf den Fußwegen oder herzerwärmende Dankesschreiben von Gästen sind die letzten Spuren dessen, was Anfang November in Cottbus mit dem Festival stattfand. Tröstende Spuren, die den harten Schnitt und die Rückkehr in den normalen Alltag noch einigermaßen erträglich machen.

Inzwischen das Gefühlschaos überwunden und aus dem Festivalkoma erwacht, blicken wir zurück auf den Wahnsinn dieser Tage. Wahnsinn im Sinne von Bewunderung und Verwirrung zugleich:
Verwirrung über Leserreporter und ihr Ringen mit der komplexen Vergabe von Tickets. Verwirrung über maßgeschneiderte, „typisch deutsche Pläne“ zur Koordination der Jurys. Verwirrung über nachts spontan improvisierte und dennoch solide Interviews für ukrainische Fernsehteams. Verwirrung über Digital-Projektoren, die über Nacht von selbst Einstellungen verändern, sodass Filme plötzlich einen Grünstich haben oder gar 35-mm-Projektoren, die den Geist aufgeben.

Bewunderung ob der Festivalmitarbeiter und -gäste, die letzteres bravourös zu einem unterhaltsamen und aufschlussreichen Filmgespräch ohne Film ummünzen. Bewunderung ob der Besucher mit viel Geduld am Gäste-Counter und noch mehr Geschenken ihrerseits für das FFC-Team. Bewunderung ob der Berliner Begeisterung für Karneval in der Lausitz oder des frisch entwickelten Geschmacksinns eines französischen Gastes für deutsche Currywurst und Stollen. Bewunderung ob der zahlreichen freundschaftlichen, interkulturellen Dialoge, die auf hoher politischer Ebene der Länder der Gesprächspartner nicht möglich bzw. sogar nicht gewünscht sind.

FFC – das könnte auch für „Freunde finden in Cottbus“ stehen. Wenn für sieben Tage plötzlich 21.000 Festivalbesucher knapp 200 Filmgeschichten unterschiedlichster Couleur auf Leinwand erleben und fast 600 Gäste aus fast 40 Ländern zusammenkommen, sind Geschichten voller Gefühle unvermeidbar. Sei es die leidenschaftlich-cineastische Bekanntschaft von Filmfans für ein paar Stunden, filmreife Romanzen für ein paar Tage oder unverhoffte Freundschaften für’s Leben. Das Filmfestival beweist sich auch hier als guter Gastgeber, begrüßt es doch all diese Begegnungen und schweigt weise lächelnd über gewisse Episoden.

FFC – „FilmFegerCottbus“ kommt dem verwirrten Postfestivalachterbahnhirn zum Schluss noch in den Sinn. Die nächtlichen Straßen von Cottbus schienen nämlich in der Zeit des FFC leerer als sonst. Welch tröstende Gewissheit aber überkommt einen, wenn man sich ausmalt, dass dies in jenen Tagen den Filmfans in den Kinosälen und Festivalpartygängern in den Clubs zu verdanken ist.

In diesem Sinne: Lasst uns auch 2018 in die Achterbahn steigen und die Straßen der Stadt leer fegen.

 


Titelfoto: © FFC / Thomas Goethe