Cottbus bleibt bunt

Von Kindsköpfen und Wutbürgern

7. August 2019 |
© Appell von Cottbus

Dienstagmorgen, irgendwo in Südbrandenburg: Etwas verstrahlt (böses Netflix! 😉) lasse ich mich auf den blauen Sitz des DB Regio Richtung Cottbus fallen. Zeitgleich mit dem Zug nimmt auch ein etwa zweijähriger Junge Fahrt auf: Fröhlich giggelnd tappt er im Mittelgang auf und ab.
Wenig später versucht seine Mutter, ihren Filius zu einer Pause zu überreden – findet der gar nicht witzig und übt sich im Protestquieken.

Derart eingestimmt, erinnere mich an Busfahrten zu Schulzeiten: Allein der Zustieg einer Mutter mit Kinderwagen ließ meinen Blutdruck damals in die Höhe schnellen. Wagte es die Brut dann auch noch, mittels akustischer Reize meinen fragilen Geduldsfaden zu kappen, wars vorbei. Nicht selten habe ich lieber mehr Fußmarsch als DAS in Kauf genommen. Selbst wenn DAS nur vor sich hinbrabbelte, Mama die komplette Fahrt lang mit Fragen löcherte oder sonst irgendwas niedliches tat.

Entzückenden Nichten und Neffen sei Dank bin ich heute deutlich entspannter. Ich staune über den so früh schon so fröhlichen und aktiven Knirps. Immer wieder strahlt er mich an und so kann ich einfach nicht anders, als zurück zu grinsen.

Während die anderen Fahrgäste ihn wahlweise ignorieren oder ebenfalls anlächeln, steigt kurz vorm Zielbahnhof ein Dreiergespann zu, das zuverlässig das Wählerklischee einer neuerdings populären Partei erfüllt: überwiegend männlich, zwischen 35 und 50 Jahren alt, erwerbslos*. Vielleicht auch irgendwie gefrustet und ziellos…
Kaum im Zug Platz genommen, regen sie sich über die Unsitten anderer Länder und das umherrennende Kind auf. Nachdem der Kleine nun endgültig zum Sitzenbleiben überredet werden konnte, entschuldigt sich seine Mutter bei den Dreien – obwohl sie vermutlich kaum verstanden hat, was genau ihr Problem war.

Es geht nicht ums Genervtsein an sich. Dass einem ein quengelndes Kind auf den Wecker fällt, kann gerade ich sehr gut verstehen.
Dialoge à la

„Dass die ihr Balg nicht im Griff hat. So typisch, Alter…Warum kann DER nicht vor nen Zug fallen? Dann isses wieder einer weniger!“ – „Warte ab, bald räumen wir hier eh auf!“

hingegen niemals. Nicht mal mit Sarkastometer-Level 1000. Wir bleiben mehr!

 

* letzteres erschloss sich aus dem Gespräch, das besagter Trupp beim Einsteigen führte – Ziel ihrer Tagesfahrt war das Jobcenter in Cottbus


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