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Hampelmann und Schweinehund | Crossfit #3

20. August 2016 |
Ball über die Linie

„Ganz einfach: du meldest dich zu einer Class an und wenn du nicht kommst, machst du 80 Burpees.“ lautet die pragmatische aber nicht ganz logische Antwort des Trainers auf meine Frage, wie man seinen inneren Schweinehund am besten überwindet. Ich war jetzt zwei Wochen nicht „in der Box“. Zwei Termine wegen Urlaub und zwei wegen Faulheit/Sommer/Tischtennis ausgelassen.
Ich habe ein schlechtes Gewissen. Markus und mir selbst gegenüber. Immerhin hatte ich fast einen Waschbrettbauch. Fast.
Übrigens: Bei Burpees legt man sich flach auf den Boden und springt mit einem kleinen Hüpfer wieder auf die Füße. Hört sich lustig an, nicht? Mach mal achtzig davon!

Es hat mir auch ein bisschen gefehlt. Zum Beispiel das gemeinsame Dämlich-Quatschen am Anfang der Class. Jeder gibt seinen Senf dazu und man muss immer einen drauf setzen. Dieses Mal geht es um meine Frisur. „Eher so wie Goebbels, oder?“ fragt einer der CrossFitter. „Nein Quatsch! Himmler. Mit der Brille.“ Vorsichtiges Lachen. Ich habe mir die Haare abschneiden lassen, weil viele Menschen mich mit Hitler verglichen haben. Echt. Seitenscheitel und Bart scheint beim Deutschen immer noch was zu triggern. Weil meine Truppe hier aber lustig findet, dass mich das nervt, wird nun ein anderer Fascho gesucht dem ich gleichen „darf“.
Auch eine Bekannte ist hier: Gemeinsam mit Cindy habe ich einen Abendstudiengang besucht. Gemeinsam mit Cindy werde ich heute leiden. Nach der Erwärmung (Hampelmänner und Mountain Crawls) finden wir uns zu Teams zusammen und räumen eine ganze Menge Geräte in der Box umher. Als alles sortiert ist und wir die Übungen einzeln durchgegangen sind, startet Markus den großen Timer an der Wand. Die Sekunden bis zum Start des Workouts sind lang. Es piept drei Mal und wir stürzen uns in die Requisite.
Wir springen auf Holzkisten , entreissen der Schwerkraft die Langhantel, schwingen Kettlebells über den Kopf, werfen Medizinbälle aus der Hocke in die Luft, schmettern einen schweren Gummiball auf den Boden, machen Klimmzüge, Liegestütze, HandstandPushUps (lite) und dann beginnen wir von vorn. Immer wieder. In einem ordentlichen Tempo hetzen wir durch die Übungen. Prodigy dröhnt aus den Boxen. Ich helfe Cindy bei den Klimmzügen und bekomme ein atemloses „Danke“, und ein glückliches Lächeln. Ich fühle mich auch großartig. Merke, wie der imaginäre Bürostuhl wegrollt und meine Bauchmuskeln den Körper in die Gerade bringen.
„Noch 10 Minuten!!“ Markus feuert uns an. Ja, da brennen die Gliedmaßen und der Schweiß läuft. „Wenigstens hängen mir jetzt die Haare nicht mehr ins Gesicht“, denke ich und versuche mich darauf zu konzentrieren, was als nächstes kommt. Gar nicht so einfach, wenn dein Hirn alle Hände voll zu tun hat, die Schmerzsignale aus der Region zwischen Ohrläppchen und Wade zu verarbeiten.* Cindy erinnert mich an die Dips. Ich stütze mich hinter meinem Rücken auf eine der Kisten auf und lasse mich lang gestreckt nach unten. Runter und Rauf. Runter. Rauf. Hatte ich jetzt acht oder n..„Zehn!“ ruft Cindy und beendet meine physische und psychische Qual. Jetzt ist sie dran und ich kann kurz ausruhen. „Du machst das ganz stark!“ feuere ich die Rechtsanwältin an. Zu mehr Eloquenz reicht´s nicht.
„Noch Sechzig Sekunden! Kommt, Leute. Da geht noch was!“ und „Die Fersen auf den Boden! Die Fersen auf den BODEN!“ Markus achtet gerade jetzt beim Endspurt auf die richtige Haltung seiner Schützlinge.
Zum Ende versuche ich noch einmal aufzudrehen, setze mich aber beim Medizinball-Hochwerfen fast auf den Hintern. Egal, „Da geht noch was!“ Wir dreschen noch einmal den mit Sand gefüllten Gummiball auf den Boden. Sechs!.. sieben!… a-acht!… gnnneuu… Die Uhr piept lang und lauter als Keith Flint „Psychosomatic addict, insane!“ kreischen kann. Es ist vorbei. Wir brechen kollektiv zusammen. Stöhnen und Hecheln. Wer es bis zur Wasserflasche schafft, trinkt einen Schluck. Ich warte bis der Schmerz einsetzt. Doch da ist nichts. Ich fühle mich eher leicht. Schon ist das erste Klatschen in der Box zu hören. Markus geht umher und verteilt breit grinsend High Fives an seine Trainees. Es klingt wie ein extrem langsamer und sehr respektvoller Applaus.


*Ich habe mich mal verzählt. Bei drei Runden, die wir auf dem Parkplatz laufen sollten.